27 August 2017
Göteborg: Tagebuch Sonntag
Große Spannung und Angespanntheit am Finaltag. Schon nach den ersten Fahrten in dem Parcours war aber klar, dass die Aufgabe für die Fahrer nicht allzu schwer sein würde.Foto: Krisztina Horváth
Gleich zu Beginn gab es durch den Belgier Degrieck und den Franzosen Horde eine Nullrunde. Es sollten nicht die letzten an diesem Tag gewesen sein. Der von Michael Freund trainierte Schwede Johan Dengg vergaß schlichtweg, das Tor 14 zu fahren. Für ihn war damit die Heim-EM vorbei. Nesvacil jr. und Olin waren die nächsten, die den Parcours fehlerfrei absolvierten. Glenn Geerts leistete sich einen Ball und Zeitfehler. Die Deutschen betrachteten dies natürlich mit Wohlwollen. Dann kam Mareike Harm ins Stadion. Sie gilt als die sicherste Hindernisfahrerin im deutschen Team. Aber es fiel ein Bällchen, und eine minimale Zeitüberschreitung bedeuteten dann 3,16 Strafpunkte. Kein Ergebnis, um die Holländer anzugreifen, aber ein gutes Ergebnis, um die Silbermedaille zu sichern. Die Fahrt von dem Geländesieger Voutaz wie immer makellos und sehr schnell. Er gewann dann auch das Hindernisfahren. Auch Koos de Ronde, der erste holländische Mannschaftsfahrer, fuhr Null. Damit war den Fachleuten klar, dass die holländische Mannschaft wohl nicht zu schlagen war bei dieser Europameisterschaft.
Georg von Stein als zweiter deutscher Mannschaftsfahrer blieb ohne Abwurf mit geringer Zeitüberschreitung und 1,41 Strafpunkten. Allerdings stellte er seine Fans und sein Team nervlich auf eine harte Probe, als er vor Tor 12 stark ins Schwanken kam und etwas die Kontrolle über sein Gespann verloren zu haben schien. Er behielt dennoch seinen 5. Platz in der kombinierten Prüfung. Ein sehr respektables Ergebnis. Der nach ihm fahrende Ex-Europameister Timmermann blieb auch fehlerfrei mit lediglich 0,68 Punkten für Zeitüberschreitung. Eine sehr souveräne Runde. Damit war klar, dass die Niederländer Gold in der Mannschaft (wieder einmal) geholt hatten. Die Mannschaftssilbermedaille hatte Georg von Stein mit seinem Auftritt schon sichergestellt. Jetzt ging es nur noch um die Einzelmedaillen. Der an 3. Stelle liegende Christoph Sandmann behielt die Nerven und war knapp über der vorgegebenen Zeit, und mit 1,51 Strafpunkten gewann er dann die Bronzemedaille. Ein tolles Ergebnis für den amtierenden Deutschen Meister. Er hat schon so viele Medaillen bei Championaten gewonnen wie kein anderer deutscher Fahrer jemals. Eine sichere Fahrt des Belgiers Simonet brachte diesem die Silbermedaille. Ihm gehört die Zukunft. Alle drei Disziplinen werden von ihm gleichermaßen gut beherrscht. Viele Fachleute sehen in ihm, dem Exell- Schüler, den zukünftigen Europameister. Gold ging an Ijsbrand Chardon, der sich sogar den Luxus eines Abwurfs leisten konnte.
Was bleibt aus deutscher Sicht als Erkenntnis dieser EM? Die Niederländer erwiesen sich noch als zu stark für das deutsche Team. Der Abstand ist aber erkennbar geringer geworden als zuvor. Dies ist vor allem den deutlich verbesserten Dressurleistungen des ganzen Teams zuzuschreiben. Alle drei Gespanne unter 50 Strafpunkten. Dies hatte es lange nicht mehr gegeben. Keiner enttäuschte im Gelände, und auch im Kegelparcours wurden die erwarteten Leistungen gezeigt. Die Hoffnungen der Deutschen, den Holländern doch den Schneid abzukaufen und sie vom Podium ganz oben zu verdrängen, scheiterten letztlich an der überragenden Geländeleistung des späteren Europameisters Chardon. Das Experiment mit dem australischen Multi-Champion Boyd Exell als Co-Trainer muss als sehr geglückt angesehen werden. Er hat in seiner professionellen Art und seiner hohen Akzeptanz viel zu diesem Erfolg und den Verbesserungen beigetragen, genau wie Cheftrainer Karl-Heinz Geiger mit seiner besonnenen Art und großen Fachkunde.
Fritz Otto-Erley als Equipe-Chef und Mathilde Pluim als Mannschaftstierärztin haben mit ihrem hohen Engagement und ihrer Kompetenz das deutsche Team wunderbar begleitet. Eine besondere Anerkennung verdienen aber die vielen, vielen Helfer im Hintergrund des Geschehens. Ohne sie würde gar nichts gehen im Fahrsport, und sie haben genauso einen Anteil an den errungenen Medaillen, wie alle anderen.
Die schwedische Metropole Göteborg war ein wunderbarer und freundlicher Gastgeber. Es gab bisher kein Championat, bei dem man so zuvorkommend und hilfsbereit von so vielen Helfern begleitet und unterstützt wurde. Das Zuschauerinteresse am Samstag und auch am Sonntag war riesig. Zuschauerfreundlich war natürlich die Tatsache, dass keine Eintrittsgelder erhoben wurden, und auch das Wetter mitspielte. Die Veranstalter verstanden es geschickt, die doch nicht allzu große Starterzahl von 21 Viererzügen in einem zeitlich sehr angenehmen Rahmen zu präsentieren. Bleibt die Frage, wohin geht der Vierspännersport in Zukunft. Großbritannien, Italien, Spanien waren nicht vertreten, Ungarn nur mit 2 Gespannen am Start, Österreich hatte genau wie CSR nur einen Fahrer nach Göteborg entsandt.
Die extra für dieses Event aufgebrachten Böden waren über alle Tage hervorragend. Wenn auch das Essen und das Trinken in Schweden etwas teuer sind, werden diese Europameisterschaften den Deutschen nicht nur sportlich in sehr guter Erinnerung bleiben. Donaueschingen, als nächster Veranstalter, wird sich 2019 einiges einfallen lassen müssen, um dieses von Göteborg jetzt vorgelebte Niveau zu erreichen.
Rudolf Temporini