29 Mai 2021
Wie geht es eigentlich …….Abel Unmüßig?
Im Fahrsport gibt es eine große Anzahl von Personen, die in der Vergangenheit im Sport aktiv waren und viel für den Sport bedeutet haben. Hoefnet macht sich auf die Suche nach einigen dieser Koryphäen, um sie zu fragen, wie es ihnen jetzt geht. In dieser Folge hat Abel Unmüßig das Wort.Abel Unmüßig (1958), Konditormeister und Seniorchef im eigenen Betrieb mit Café und Hotel im Hochschwarzwald-Kurort Hinterzarten, war viele Jahre Mitglied im deutschen A- und B-Kader der Ponyvierspänner sowie Aktivensprecher im DOKR-Fahrausschuss in Warendorf. Mit markanten Haflinger-Vierspännern war er von 1991 bis 2015 für Deutschland international erfolgreich, unter anderem bei drei Europameisterschaften und zwei Weltmeisterschaften.
Abel Unmüssig in Riesenbeck 2014
Foto: Dr. Jürgen Schwarzl
Über Festzüge zum Turniersport
„Zum Fahren bin ich über die Teilnahme an Festzügen gekommen. Als Jugendliche fuhren wir einen Mühlenwagen mit vier Schwarzwälder Füchsen, die uns Züchter zur Verfügung gestellt hatten; anfangs vom Sattel aus, später vom Bock. Ich lernte damals schon, das schwierigste von vier Pferden vorne rechts einzuspannen. Aus unserem Hobby entwickelte sich dann das sportliche Fahren. Dank der Unterstützung durch Familie und Bekannte konnte ich mich neben meinem zeitaufwändigen Konditor-Beruf als Amateur auch dem Turniersport widmen. Nach einer Nachtschicht oder einer Eineinhalb-Tage-Schicht in unserer Konditorei kam ich oft erst als Letzter zum Turnier. Die Pferde warteten dort meist schon ausgeladen vor der Kutsche.“
Vollautomaten
„Mein erstes großes Turnier war die Deutsche Meisterschaft 1991 in Marbach. Start und Gewinn der Bronzemedaille verdanke ich dem damaligen Landestrainer Hans Frank aus Tettnang. Der meldete mich an, betreute mich und formte mich mit Willy Jäger aus Hinterzarten zum Haflinger-Vierspännerfahrer. Willy Jäger war Hobby-Fahrer und hatte neben seinem großen Campingplatz einen Hof, auf dem er mit seiner Frau Hertha Haflinger züchtete. Diese Haflinger stellten sie mir über Jahre für meinen Vierspänner zur Verfügung. Anfangs waren es zwölf bis vierzehn „Ross“, später neun. Mein erster Viererzug bestand aus vier Stuten von Adjutant. Sie waren Vollgeschwister aus einer Mutter von Merlot. Dieser Viererzug hatte bereits die Qualität eines „Vollautomaten“. Nachwuchs-Haflinger übernahm ich meist als Dreijährige, die ich erst fünf- oder sechsjährig im Sport einsetzte. Die Verjüngung meines Haflingergespanns war eine ständige Aufgabe. Mit meinen „Alten“ hätte ich zwar bis zu deren Ende weiterfahren können, dann aber aufhören müssen. Über Scouts habe ich mir später auch Haflinger aus ganz Europa beschafft. Eine Stute aus dem frühen Gespann lebt übrigens heute noch.“
Abel Unmüssig DM in Lähden
Foto: Dr. Jürgen Schwarzl
Vieles Ewald Meier zu verdanken
„Am meisten gelernt habe ich vom späteren Bundestrainer Ewald Meier aus Meißenheim, der damals noch aktiver Fahrer war. Er hat mich, meine Pferde und meine Gespanne ausgebildet, meine Turniereinsätze koordiniert und mich bei vielen Prüfungen begleitet. Mit ihm habe ich in Meißenheim und Riesenbeck manchmal eine ganze Woche 14 Haflinger von morgens 7.30 Uhr bis abends 21.30 Uhr trainiert. Zwischen uns entwickelte sich eine feste Freundschaft, die über die Zeit als Bundestrainer hinaus bestand. Unsere Zusammenarbeit war nicht immer konfliktfrei, das lag auch an unseren unterschiedlichem Naturell. Wir haben uns aber immer offen die Meinung gesagt, uns ausgesprochen und wieder zusammengerauft. Sein Ausscheiden als Bundestrainer habe ich sehr bedauert.“
Die Beifahrer
„Beifahrer war von Anfang an Helmut Faller. Er stammt wie ich aus Sankt Märgen, wo mein Vater Tierarzt war, und ist nur ein Jahr jünger als ich. Zu ihm stieß als Groom Hermann Braun, den alle in der Fahrer-Szene „Charly“ Braun nannten. Der war auch ein Unterhaltungs-Talent und trug viel zur guten Stimmung auf Turnieren bei. War es nach Feierabend mal etwas heftig zugegangen, haben wir tags darauf zuerst mal die Kollegen beim Abgehen des Geländes oder des Parcours beobachtet, ehe wir uns selbst aufmachten. Treue Grooms waren zudem Gabi und Thomas Wörner, meine Tochter Simone, deren Freundin Elly aus Kanada und zuletzt Herbert Frei. Meine Frau Monika stand meiner Fahrerei anfangs etwas distanziert gegenüber und bemerkte einmal: „Wenn ich noch einmal auf die Welt komme, dann am besten als Ross!“ Solange ich auf Turnieren unterwegs war, blieb halt viel Arbeit zuhause an ihr und meinem Sohn Dennis hängen, der das von meinem Onkel übernommene Unternehmen fortführen wird. Meine Tochter Simone ist als Modedesignerin mittlerweile in Hamburg tätig.“
Abel Unmüssig und 'Charly' Braun
Niedrige Dressurnoten bei deutschen Richtern
„In meiner Anfangszeit, als der Fahrsport noch nicht so stark reglementiert war, starteten bei großen Turnieren 28 bis 36 Pony-Vierspänner. Haupt-Konkurrenten waren damals Friedhelm Kneifel und Willy Tischer, aber auch Aart van de Kamp sr., Pippa Bassett und Tinne Bax. Heute sind es oft nur noch zwölf oder weniger Gespanne. Kameradschaft und gegenseitige Unterstützung und Hilfe galten damals noch etwas. Was uns gemeinsam beeinträchtigte, war öfters die vergleichsweise niedrige Dressurbewertung durch deutsche Richter. Wenn deren Noten-Niveau ähnlich hoch wie das ihrer Kollegen aus dem Ausland gewesen wäre, hätten wir im Gelände nicht fünf oder sogar zehn Punkte Rückstand aus der Dressur durch rasantes Geländefahren aufholen müssen. Obwohl die Dressur eine meiner Stärken war (meine Strafpunktezahlen lagen meist zwischen 49 und 43), musste ich im Gelände immer einiges riskieren. Ein unerwartetes, einmaliges Spitzenergebnis im Viereck waren 42 Strafpunkte, die reichten sogar zum Sieg.“
Abel Unmüssig mit Beifahrer Helmut Faller
Foto: Norbert Steffen
„Du bist eigentlich schon ein Museum“
Bei meiner letzten WM-Teilnahme in Lipizza 2011 konfrontierte mich jemand mit der für mich nicht gerade schmeichelhaften Bemerkung: „Unmüßig, Du bist eigentlich schon ein Museum“. Das kam nicht nur bei mir ungut an. Denn in meinem Hobby möchte ich Spaß haben, Ernst ist für mich im Beruf und bei der Arbeit angesagt. Lipizza und das verschärfte Reglement – vor allem im Hindernisfahren – waren erstmals Anlass, über einen Rückzug aus dem Sport nachzudenken. Wenn ein Parcours nur noch durch Überfahren eines zu kompliziert aufgestellten Kegelpaares zu meistern ist, hat das für mich mit Sport nichts mehr zu tun. Als Fahrer haben wir bei einem regionalen Turnier auf meinen Vorschlag ein Tor zu Beginn des Parcours absichtlich überfahren. Das war so aufgestellt, dass es nicht ohne Abwurf zu passieren war. Dieser absichtliche Fehler rechnete sich durch Zeitersparnis. War das noch Sport? Nicht nachzuvollziehen waren für uns Fahrer auch immer wieder Zeitpunkt und Ergebnis von Verfassungsprüfungen oder Vetchecks vom Hänger aus sowie Mindestanforderungen zur Qualifikation junger Pferde für Championate. Wir Fahrer wissen wohl am besten, wozu unsere Pferde fähig sind und dass es keinen Sinn macht, mit untauglichen Pferden zum Turnier zu fahren. Wir haben uns vor solchen Checks öfters selbst – etwa durch Beugeproben oder langes Führen – vergewissert, dass unsere Pferde fit sind. Wie willkürlich Entscheidungen mancher Jury-Mitglieder erscheinen, hat mein Kollege Franz Knapp mal in Breda erlebt. Obwohl er dort jahrelang mit demselben Gespann gestartet war, wurde plötzlich die Identität seiner vier Ponys angezweifelt. Nur der Hinweis eines älteren Richters, dass es immer noch dieselben Ponys seien, hat ihm dann doch den Start ermöglicht.“
Abschied an meinem Geburtstag
„In der langen Zeitspanne, in der ich Fahrsport betrieben habe, gab es auch Unfälle. Die hielten mich aber nicht davon ab, weiter zu machen. Einer passierte bei Saisonbeginn in Wettringen, als meine Tochter unser Gespann von der Dressur zum Stallzelt fuhr. Als das rechte Vorderpferd unerwartet mit einem jähen Ruck anzog, stürzte ich als Beifahrer rücklings von der Kutsche und zog mir einen Milz- und Leberriss sowie Rippenbrüche zu. Das hielt mich aber nicht davon ab, meinen LKW über fast 700 Kilometer selbst nach Hause zu steuern. Heute würde ich das nicht mehr machen. Ein anderer Unfall ereignete sich beim Beschlagen zu Hause, als mir ein junger Wallach beim Aufhalten sein Kniegelenkt so stark ins Gesicht rammte, dass ich mit einem Rettungshubschrauber in eine Unfall-Klinik geflogen werden musste. Mit meinem späteren Entschluss, den Sport zu beenden, haben die Unfälle aber nichts zu tun. Diesen Entschluss habe ich erst viel später am Tag meines 58. Geburtstages, dem 9. Mai 2018, gefasst. Erst da habe ich dem von mir geliebten Fahrsport Ade gesagt. An meine Zeit im Fahrsport, von der ich nichts missen möchte, erinnern mich jeden Tag die vielen Pokale in meinem Büro. Dort stehen aber nur noch die wichtigsten und bedeutendsten. Hätte ich alle Pokale behalten, wären es wohl fünf Mal mehr.“
Keine „Ross“ mehr
Im nahen Albersbach neben dem Hotel der Familie Steiert habe ich nun keinen Stall und keine „Ross“ mehr. Dort gibt nur noch einen Fahrplatz mit selbst gebauten Hindernissen. Auf Wunsch von Züchtern fahre ich ab und zu noch junge Schwarzwälder ein und stelle mich dem Zuchtverband als Fremdfahrer bei Leistungsprüfungen von Kaltblütern und Kleinpferden zur Verfügung. Dank des Goldenen Fahrabzeichens kann ich auch Fahrunterricht geben und Lehrgänge leiten. Zum Turnierrichter habe ich mich nie berufen gefühlt. Meine vier Jahrzehnte währende Mitgliedschaft im Gemeinderat möchte ich fortsetzen, ebenso eine Reihe weiterer Ehrenämter. Was mir auch immer noch viel Spaß macht, ist Motorradfahren und der Besuch des CAIO Aachen, auch um Kollegen zu treffen.
Abel Unmüssig in Riesenbeck 2014
Foto: Dr. Jürgen Schwarzl
Palmares
Bei der EM 1995 in Breda gewann Abel Unmüßig mit der Mannschaft Gold und Silber in der Einzelwertung. Auch bei der EM 1997 in Meißenheim war er Mitglied des deutschen Teams, das erneut Gold gewann, sowie Vierter der Einzelwertung. Bei der EM 1999 in Saumur, bei der Deutschland Team-Bronze gewann, war er Zwölfter der Einzelwertung. Bei der Weltmeisterschaft 2009 in Greven-Bockholt und bei der WM in Lipizza belegte er Rang 15 in der Einzelwertung.
In Baden-Württemberg war er zwischen 1990 und 2015 sechs Mal Landesmeister. Zwischen 1996 und 2014 war drei Mal Deutscher Meister der Ponyvierspänner, vier Mal Vizemeister und siebenfacher Gewinner der Bronzemedaille. Für seine großartigen Erfolge hatte er bereits 1994 das Goldene Fahrabzeichen erhalten.
Text: Eberhard Platz.
Foto rechts oben: ©Thilo Haak